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PROGRAMMHEFT
RICHARD DREI
MITTEILUNGEN DER MINISTERIN DER HÖLLE
nach William Shakespeare • in einer Überschreibung von Katja Brunner
Depot 1
Dauer: ca. 2 Std 50min, eine Pause
Uraufführung: 23 Apr 2022
Aufführungsrechte: schaefersphilippen™, Theater und Medien GbR, Köln
»Zu Beginn: Oft stottert die Sprache und stockt aus sich heraus Oft sucht sie, umkreist ihre Bedeutung, kreist ihre sie umgarnenden Feind*innen mit ein Oft legt die Sprache einen Schmerz offen, um einen grösseren taub zu stellen. Manchmal ist sie Lärm, der bricht«
INHALTSVERZEICHNIS
Besetzung
CLARANCE, MOMMY, LORD HASTINGS
HERZOG VON BUCKINGHAM
KÖNIGIN ELISABETH aka LIZZIE, TOTMENSCH 2
KÖNIGIN MARGARET
BRAKENBURY, KÖNIG EDWARD IV., SIR WILLIAM CATESBY
LADY ANNE, TOTMENSCH 1
LORD RIVERS, BÜRGERMEISTER, TYRELL
»Blut kann man nicht
mit Blut abwischen
Aber mit Kraft der Worte«
Team
Regie: Pınar Karabulut
Bühne: MICHELA FLÜCK
Kostüm: CLAUDIA IRRO
Video: Susanne Steinmassl
VIDEOTECHNIK: AMON RITZ
MUSIK: Daniel Murena
Licht: Michael Frank
Ton: OLIVER BERSIN · JOSCHKA TSCHIRLEY
DRAMATURGIE: Sarah Lorenz
ZUM STÜCK
»Wenn ich Königin wär?, da wär ich lieber bei der Stadtverwaltung. Das würd ich nicht mal zu denken wagen diese Würde, Bürde der Würde«
Richard ist unzufrieden. Sie passt nicht in die Zeit, sie passt nicht in die Gesellschaft, ihr passt der regierende König nicht – also entschließt sie sich »Schurke« zu werden und Shakespeares Drama nimmt seinen Lauf. Völlig eingenommen von dem Begehren nach Herrschaft − koste es, was es wolle − bespielt Richard die gesamte Klaviatur der Manipulation. Erst lässt sie ihre Brüder einkerkern und töten, dann verführt sie die trauernde Witwe Prinzessin Anne, um ihre Machtansprüche zu festigen. Annes toten Ehemann hat sie zu diesem Zeitpunkt genauso auf dem Gewissen, wie viele andere, die ihren Weg pflastern. Durch ihr abwechselndes Spiel von Bösartigkeit und gespielter Zartheit, hervorragender Rhetorik und Hinterlist, besteigt sie schließlich erfolgreich als Richard III. den Thron von England. Doch dann wird ihr der Platz an der Spitze streitig gemacht. Richard muss selbst in den Kampf. Es geht um Leben und Tod.
ZUR AUTORIN
KATJA BRUNNER
Geboren 1991 in Zürich, studierte Katja Brunner Literarisches Schreiben am Literaturinstitut Biel/Bienne und Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. 2010 entstand ihr Stück »von den beinen zu kurz«, das am Theater Winkelwiese in Zürich uraufgeführt wurde. 2012 nahm sie an den Werkstatttagen des Wiener Burgtheaters teil. 2013 war sie mit ihrem Stück »die hölle ist auch nur eine sauna« zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen, gewann mit der Deutschen Erstaufführung von »von den beinen zu kurz« den Mülheimer Dramatikerpreis und wurde in der Kritikerumfrage von »Theater heute« zur Nachwuchsautorin des Jahres gewählt. In der Spielzeit 2014/2015 war Katja Brunner Hausautorin am Theater Luzern und im Sommer 2015 Stipendiatin am Literarischen Colloquium Berlin. 2016 erhielt sie ein Werkjahr der Stadt Zürich für einen Romanentwurf zugesprochen.
Ihre Theaterstücke wurden in den folgenden Jahren u.a. am Schauspielhaus Zürich, Volksbühne Berlin, Schauspielhaus Bochum oder Schauspiel Leipzig aufgeführt.
Im Februar 2018 wurde Katja Brunner für ihre Arbeit der mit 30.000 CHF dotierte Förderpreis des Kulturpreises des Regierungsrates Zürich verliehen. Anlässlich der Verleihung beschrieb die österreichische Dramatikerin Gerhild Steinbuch Katja Brunners Texte als »herausfordernde Kampfpartnerinnen«, als »sprachlich herausragend« und »dezidiert politisch«.
Im WS 2020/21 war Katja Brunner Gastprofessorin am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und doziert am Bieler Literaturinstitut. Außerdem arbeitet sie kontinuierlich mit dem »Institut für chauvinistische Weiterbildung« (Theaterautorinnenkollektiv gemeinsam mit Gerhild Steinbuch, Daniela Janjic, Ivna Zic), schreibt Essays für Zeitungen und Magazine (z.B. NZZ Folio oder gemeinsam mit Werner Rohner bei essais agités) und tritt als Loretta Shapiro an diversen Festivals und Theatern (z.B. Solothurner Literaturtage) mit Sophie Aeberli auf.
Katja Brunner verfasste mit RICHARD DREI – MITTEILUNGEN DER MINISTERIN DER HÖLLE für das Schauspiel Köln ihre erste Überschreibung.
Das Drama Richard III. Von William Shakespeare entstand etwa 1593 und zählt bis heute zu einem seiner meistaufgeführten Stücke.
Ihre Theaterstücke wurden in den folgenden Jahren u.a. am Schauspielhaus Zürich, Volksbühne Berlin, Schauspielhaus Bochum oder Schauspiel Leipzig aufgeführt.
Im Februar 2018 wurde Katja Brunner für ihre Arbeit der mit 30.000 CHF dotierte Förderpreis des Kulturpreises des Regierungsrates Zürich verliehen. Anlässlich der Verleihung beschrieb die österreichische Dramatikerin Gerhild Steinbuch Katja Brunners Texte als »herausfordernde Kampfpartnerinnen«, als »sprachlich herausragend« und »dezidiert politisch«.
Im WS 2020/21 war Katja Brunner Gastprofessorin am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und doziert am Bieler Literaturinstitut. Außerdem arbeitet sie kontinuierlich mit dem »Institut für chauvinistische Weiterbildung« (Theaterautorinnenkollektiv gemeinsam mit Gerhild Steinbuch, Daniela Janjic, Ivna Zic), schreibt Essays für Zeitungen und Magazine (z.B. NZZ Folio oder gemeinsam mit Werner Rohner bei essais agités) und tritt als Loretta Shapiro an diversen Festivals und Theatern (z.B. Solothurner Literaturtage) mit Sophie Aeberli auf.
Katja Brunner verfasste mit RICHARD DREI – MITTEILUNGEN DER MINISTERIN DER HÖLLE für das Schauspiel Köln ihre erste Überschreibung.
Das Drama Richard III. Von William Shakespeare entstand etwa 1593 und zählt bis heute zu einem seiner meistaufgeführten Stücke.
»DA SCHAU, DA bekriegen sie sich DOCH WIEDER selbst, die Siegerninne gegenseitig, Schwester gegen Schwester, Blut gegen Blut, Selbst gegen Selbst schäm ich mich meiner Ausgeburten.«
KATJA BRUNNER IM E-MAIL-INTERVIEW
Wie hast du dich der Bitte nach einer Überschreibung dieses Shakespeare Stücks genähert?
Lesend erstmal: Ich hab eigentlich super viel rumgelegen und dabei rumgelesen, also, was waren z.b. Shakespeares Infoquellen, die famosen und fabulösen Holinshed‘s Chronicles, also eigentlich hab ich versucht, mich etwas zu verlieren, im realen historischen Hintergrund genauso wie in den diversen Übersetzungen, erstmal Annäherungen ans Original and history channel in meinem Kopf. Sonst hab ich z.b. Ökofeministinnen gelesen und mich etwas umgeschaut zu sowas wie Soziologie der Macht – dann schauend: Filmgeschichtlich rumgepirscht. Dann kommt eigentlich die weite Phase des Sprache-Erspürens, spührhündinisch erschnüffelnd. Auch sowas wie: Kann ich altertümliche Übersetzungssprache emulieren, dabei aber mit zeitgenössischem Inhalt versehen? Was passiert dann? Wo dehn und streck ich die Dramaturgie, die gegebene? Was werde ich los? Wo finden sich Momente, die sich sprachkritisch aufladen lassen, Wendungen etc.? Solche Fragen kommen dann, eigentlich auch etwas rauschhaft.
Welche Möglichkeiten und welche Herausforderungen wohnen einer Überschreibung
(oder auch einem »Auftrag«) inne?
So prinzipiell weiß ich das gar nicht. Hier war ich eigentlich relativ beglückt, dass mir das Haus und die Regie freie Hand ließen und dabei entstehen solche Wechselwirkungen, dass es z.B. die Setzung gibt im Bühnenbild, dass da ein Garten ist, der Richards ist. Sobald ich das weiß, fange ich an, ihr Text zu holen, der das verbindet – businessneudeutsch gesagt: Synergien? (haha)
Welche von Shakespeares Motiven/Thematiken/Figuren etc. haben bei dir Interesse geweckt und welche davon hast du eher ausgelassen?
Hmm, ich hab versucht, mich einer Art Verlassenheit zu widmen, die alle Figuren haben, ich hab versucht, sie als Geschädigte, als Gedemütigte, aber Kämpfende alle zu lieben. (OK, vor allem die weiblich gelesenen Figuren. OK, eigentlich nur die). Dort hab ich versucht, Ambivalenzen und »Tiefen« herzustellen, Zweifel, Verantwortung, Zugzwang, aber auch Chuzpe und Würde und Mächtigkeit im Denken oh menno voll!
Dass da plötzlich eine Elisabeth massgeblich unterscheidbar ist und nicht wie im Original unter ferner liefen irgendeine x-beliebige opferisierte Frau, die hin und her geschoben wird sozusagen.
Da berührt es irgendwo auch die Frage nach Hierarchienfindung beim Erzählen: Wer erzählt hier wen, wer bestimmt über wen? Deswegen hab ich Margaret als »Erzählerinnenposition« stärken wollen, Fragen nach, wer sind wir, wenn uns die anderen erzählen. Und innerhalb der Hierarchiesache wollte ich – da wir Schicksal ja als Kategorie relativ verabschiedet haben – die Rufmordqualität/Paranoia Richards betonen.
Und Figurengeschichte war mir ein Anliegen, dass mensch die verwandtschaftlichen Grade über Verweise auf Vergangenes mehr fühlt.
Und letztlich Natur, Natürlichkeit: Was ist das und wer darf die konstruieren.
Formal wollte ich die Sprache aufrauen, dynamisieren, an den Rand der Verständlichkeit bringen zuweilen –
Dass da plötzlich eine Elisabeth massgeblich unterscheidbar ist und nicht wie im Original unter ferner liefen irgendeine x-beliebige opferisierte Frau, die hin und her geschoben wird sozusagen.
Da berührt es irgendwo auch die Frage nach Hierarchienfindung beim Erzählen: Wer erzählt hier wen, wer bestimmt über wen? Deswegen hab ich Margaret als »Erzählerinnenposition« stärken wollen, Fragen nach, wer sind wir, wenn uns die anderen erzählen. Und innerhalb der Hierarchiesache wollte ich – da wir Schicksal ja als Kategorie relativ verabschiedet haben – die Rufmordqualität/Paranoia Richards betonen.
Und Figurengeschichte war mir ein Anliegen, dass mensch die verwandtschaftlichen Grade über Verweise auf Vergangenes mehr fühlt.
Und letztlich Natur, Natürlichkeit: Was ist das und wer darf die konstruieren.
Formal wollte ich die Sprache aufrauen, dynamisieren, an den Rand der Verständlichkeit bringen zuweilen –
Inwiefern hat die aktuelle (gesellschafts)politische Lage Einfluss in deine Überschreibung gefunden?
Irgendwann ging´s nicht anders, erst hatte ich mehr Verweise auf den Deutsch-Französischen Krieg drin, das ging für mich nicht mehr. Da wir´s hier mit einem Werk über Machtergreifung und -erhaltung zu tun haben, überschnitt sich das sosehr schief und schmerzhaft mit dem Krieg gegen die Ukraine. Plus hab ich auch angefangen, Anna Achmatowa Zitate im Text zu verstecken, lest sie bitte alle, sie ist groß! Sie hatte unter Stalin Schreibverbot und hat so dezidiert und literarisch einfach zum Verneigen Zeugnis abgelegt von der Sowjetzeit, ihre Sachen wurden Mund zu Mund weitergegeben, es ist das Bannen des Schreckens und grade jetzt müssen wir das lesen, finde ich.
Pınar Karabulut hat in der Volksbühne Berlin bereits dein Stück »Die Hand ist ein einsamer Jäger« inszeniert, änderte sich dein Schreiben, weil du wusstest, wer deinen Richard 3 uraufführen wird? Konntest oder wolltest du dich davon frei machen?
Da ich Pınars Arbeiten schätze, war das für mich tatsächlich eine Anlage, die im Schreiben eher Lust gemacht hat, weil ich ungefähr ahnen kann, in welcher Verweiswelt und Schaffenskraft diese Regie sitzt, das gibt irgendwo eine Rahmung, die ich als guten Boden fürs Schreiben empfand. Es beeinflusst irgendwo, aber es beseelt auch den Schreibprozess, weil ich so etwas wie Angebote machen kann bei denen ich die konkrete Adressatin etwas kenne. Manchmal besteht die Gefahr, dass einem der Gedanke an XY oder Z den Kopf verstopft, aber hier war es für mich frei.
Welche Schwerpunkte deines Textes hoffst du auch in der Inszenierung wiederzufinden?
Hmm, aktuell freue ich mich eigentlich vor allem, das Teil zu gucken und die Spieler*innen und die Overallästhetik, mir das volle Kanüle reinzupfeffern, in welcher Lautstärke und Atmosphäre kommt es daher etc.. Irgendwo wünschte ich mir, mensch ginge aus dem Abend raus und liebte Demokratie ganz krass. Und wäre beseelt von der urschlau-dunklen-verführerischen Art von Richard, diesem Gewinde und Vexierbild von Mensch.
»Was soll mensch tun, wenn nicht einmal die Mütter eine Antwort wissen«
INTERVIEW MIT PINAR KARABULUT
UND SU STEINMASSL
»Ich kenne kein Mitleid, also bin ich noch nicht mal ein Tier«
POETISCH GENDERN!
ERFINDEN SIE BESSERE GESCHLECHTSBEZEICHNUNGEN
von Joana Ortmann • 01. März 2021 • Ein Beitrag aus der Bayern-2-Sendung Jazz & Politik
Die Fronten sind verhärtet, sobald es um das Gendern geht. Aber gibt es nicht auch spielerische Formen, um mit dem leidigen Streit umzugehen? Zum Beispiel durch das Erfinden von ganz vielen neuen Wörtern?
Geneigte Leserennni! Es hilft alles nichts, wir müssen da irgendwie raus. Die Fragen sind tausendfach gestellt, die Antworten liegen auf der Hand, und trotzdem stecken wir im Schlick der mittlerweile Jahrzehnte alten Debatte über das Gendern in der Sprache fest. Ist die Sprache überhaupt der richtige Weg zu mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern? Und wenn ja, wie gelangt sie von der verbalen in die reale Sphäre? Sprich: Verändert die Sprache dann auch das Handeln? Schafft sie Gleichberechtigung, Gleichbehandlung, Gleichbezahlung? Ein faires Miteinander in Deutschland, dem – mit 21 Prozent Unterschied – Genderpaygap-Vize-Europameister, gleich nach Estland?
Gut möglich – nur an dem Punkt sind wir noch nicht mal ansatzweise. Denn davor beginnt reflexartig das alles übertönende Jaulen, Knurren, Bellen.
Also, liebre Leserennie, lassen wir doch mal kurz alles beiseite, was auf beiden Seiten der Arena zu Groll und Krampf führt. Freuen wir uns stattdessen darüber, dass die Dinge in Bewegung sind. Das schafft nämlich Raum für mehr Spaß an der Sache!
Dazu: Tabula rasa… weg mit den Sternchen! (Auch wenn sie für viele Gerechtigkeit bedeuten). Weg mit der Lücke, die so viele erzürnt! Weg mit dem generischen Maskulinum, das schon so lange seine toxische Wirkung entfalten darf! (Und bevor wieder jemand fragt, ob es Beweise dafür gibt – ja, z.B. Studien zur Berufswahl, die zeigen, dass Mädchen wie Jungs sich sehr wohl von Bezeichnungen wie Ingenieur oder Krankenschwester beeinflussen lassen).
Stattdessen ein Spiel, inspiriert von der Schriftstellerin und Übersetzerin Ann Cotten, die Texte als
»Versuchsobjekte« bezeichnet. Und wir, die sie benutzten? Sind Forschende, die die lange praktizierte, – wie Cotten sich ausdrückt – quasi totalitäre Fixierung aufs Verstehen und Deuten von Sprache durchbrechen können.
Sie selbst geht das lässig-kreativ an, mithilfe von Bricolage, ein vom Ethnologen Leví-Strauss eingeführter Begriff, den man mit »herumbasteln« übersetzen kann oder ganz up to date mit: Do it yourself. Die Versuchsanordnung lautet hier: »Alle für alle Geschlechter nötigen Buchstaben kommen in gefälliger Reihenfolge ans Wortende«. Dabei entstehen spontan befremdliche, nach etwas Übung aber sehr erheiternde und total inklusive Wort-Varianten. Weil alles drinsteckt, das Weibliche, Männliche, Binäre, Diverse, Geschlechterübergreifende, Unentschiedene.
Die Leserennni ihrerseits müssen sich irgendwie dazu verhalten. Auf Autokorrektur umschalten, sich über ein vermeintlich schlampiges Lektorat aufregen, das Ganze als puren Blödsinn abtun – oder aber: sich aufs Angenehmste von diesen anarchischen Chaos-Wörtern verwirren lassen, die natürlich gezielte Schnitzer sind: Fröhliche Störfaktoren einer zur Diskussion gestellten, gender-gerechten Sprache.
Verehrte Leserennni! Wenn das nicht verlockend ist: Wecken Sie die Pionierennni in sich! Werden Sie zu Abgängerennni aus der verbissenen Durchschnitts-Genderdebatte. Lassen Sie sowohl die deutschen Goethe-Nationalistennni als auch die LGBTQAI-Sternchen-Einwandererennnilinks liegen – solange bis sich die Gemüter beruhigt haben. Erproben Sie sich unterdessen als Schöpferennni unerhörter Formen. Suchen Sie nicht mehr die Lösung, sondern die Störung. Verscheuchen Sie dabei unbedingt die Moralistennni in sich, seien Sie lieber Utopistennni. Nur so gibt’s die Chance auf etwas Neues. Etwas Flimmerndes. Und wenn‘s nicht klappt? Halb so wild. Dann können Sie wenigstens von sich sagen: Ich bin einre furchtlosre Sprachreisendre – und Sternchen sind nur ein winziger Teil der verbalen Galaxie.
Geneigte Leserennni! Es hilft alles nichts, wir müssen da irgendwie raus. Die Fragen sind tausendfach gestellt, die Antworten liegen auf der Hand, und trotzdem stecken wir im Schlick der mittlerweile Jahrzehnte alten Debatte über das Gendern in der Sprache fest. Ist die Sprache überhaupt der richtige Weg zu mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern? Und wenn ja, wie gelangt sie von der verbalen in die reale Sphäre? Sprich: Verändert die Sprache dann auch das Handeln? Schafft sie Gleichberechtigung, Gleichbehandlung, Gleichbezahlung? Ein faires Miteinander in Deutschland, dem – mit 21 Prozent Unterschied – Genderpaygap-Vize-Europameister, gleich nach Estland?
Gut möglich – nur an dem Punkt sind wir noch nicht mal ansatzweise. Denn davor beginnt reflexartig das alles übertönende Jaulen, Knurren, Bellen.
Also, liebre Leserennie, lassen wir doch mal kurz alles beiseite, was auf beiden Seiten der Arena zu Groll und Krampf führt. Freuen wir uns stattdessen darüber, dass die Dinge in Bewegung sind. Das schafft nämlich Raum für mehr Spaß an der Sache!
Dazu: Tabula rasa… weg mit den Sternchen! (Auch wenn sie für viele Gerechtigkeit bedeuten). Weg mit der Lücke, die so viele erzürnt! Weg mit dem generischen Maskulinum, das schon so lange seine toxische Wirkung entfalten darf! (Und bevor wieder jemand fragt, ob es Beweise dafür gibt – ja, z.B. Studien zur Berufswahl, die zeigen, dass Mädchen wie Jungs sich sehr wohl von Bezeichnungen wie Ingenieur oder Krankenschwester beeinflussen lassen).
Stattdessen ein Spiel, inspiriert von der Schriftstellerin und Übersetzerin Ann Cotten, die Texte als
»Versuchsobjekte« bezeichnet. Und wir, die sie benutzten? Sind Forschende, die die lange praktizierte, – wie Cotten sich ausdrückt – quasi totalitäre Fixierung aufs Verstehen und Deuten von Sprache durchbrechen können.
Sie selbst geht das lässig-kreativ an, mithilfe von Bricolage, ein vom Ethnologen Leví-Strauss eingeführter Begriff, den man mit »herumbasteln« übersetzen kann oder ganz up to date mit: Do it yourself. Die Versuchsanordnung lautet hier: »Alle für alle Geschlechter nötigen Buchstaben kommen in gefälliger Reihenfolge ans Wortende«. Dabei entstehen spontan befremdliche, nach etwas Übung aber sehr erheiternde und total inklusive Wort-Varianten. Weil alles drinsteckt, das Weibliche, Männliche, Binäre, Diverse, Geschlechterübergreifende, Unentschiedene.
Die Leserennni ihrerseits müssen sich irgendwie dazu verhalten. Auf Autokorrektur umschalten, sich über ein vermeintlich schlampiges Lektorat aufregen, das Ganze als puren Blödsinn abtun – oder aber: sich aufs Angenehmste von diesen anarchischen Chaos-Wörtern verwirren lassen, die natürlich gezielte Schnitzer sind: Fröhliche Störfaktoren einer zur Diskussion gestellten, gender-gerechten Sprache.
Verehrte Leserennni! Wenn das nicht verlockend ist: Wecken Sie die Pionierennni in sich! Werden Sie zu Abgängerennni aus der verbissenen Durchschnitts-Genderdebatte. Lassen Sie sowohl die deutschen Goethe-Nationalistennni als auch die LGBTQAI-Sternchen-Einwandererennnilinks liegen – solange bis sich die Gemüter beruhigt haben. Erproben Sie sich unterdessen als Schöpferennni unerhörter Formen. Suchen Sie nicht mehr die Lösung, sondern die Störung. Verscheuchen Sie dabei unbedingt die Moralistennni in sich, seien Sie lieber Utopistennni. Nur so gibt’s die Chance auf etwas Neues. Etwas Flimmerndes. Und wenn‘s nicht klappt? Halb so wild. Dann können Sie wenigstens von sich sagen: Ich bin einre furchtlosre Sprachreisendre – und Sternchen sind nur ein winziger Teil der verbalen Galaxie.
BEI DEN GÖTTINNEN – ANU, LUGH UND MORRIGAN
Das alte keltische Pantheon bestand aus über 400 Göttern und Göttinnen, die alles von Flüssen bis hin zur Kriegsführung repräsentierten.
Die keltischen Gottheiten, mit Ausnahme vielleicht von Lugh, wurden im Europa der Eisenzeit nicht flächendeckend angebetet, sondern nur lokal in einigen Regionen oder bestimmten Gebieten.
Die keltischen Gottheiten, mit Ausnahme vielleicht von Lugh, wurden im Europa der Eisenzeit nicht flächendeckend angebetet, sondern nur lokal in einigen Regionen oder bestimmten Gebieten.
Anu (auch Ana und Anann)
Eine Hauptgöttin Irlands aus vorchristlicher Zeit. Im Glossar des Bischofs Cormac wird die Göttin als Mutter aller irischen Götter bezeichnet. Assoziiert mit der Fruchtbarkeit wurde Anu besonders in Munster verehrt, obwohl in der Epik ganz Irland manchmal als »Land von Anu« bezeichnet wird
Ceridwen
Die Naturgöttin, aber sowohl Göttin des Todes, als, nach der Seelenwanderungslehre der Druiden, der Lebenserneuerung.
Sie ist die Hüterin des Kessels der Anderswelt, in dem Inspiration und göttliches Wissen gebraut werden. Ceridwen will ihrem Sohn einen Trank brauen, der ihm die Gabe der Inspiration und der Weisheit verleihen würde sowie die Fähigkeit, alles Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige zu wissen.
Das Bild von der Hexe und ihrem Kessel ist das, was von dieser Geschichte übrig bleibt, bis zu den drei Hexen in Shakespeares Macbeth und der bösen Hexe in den Märchen der Brüder Grimm. Doch die Geschichte von Ceridwen zeigt, dass der Kessel an sich weder gut noch böse ist. Für den Unwürdigen bringt er den Tod. Nur dem Auserwählten, meist dem Unschuldigen, wird die Verwandlung zuteil.
Sie ist die Hüterin des Kessels der Anderswelt, in dem Inspiration und göttliches Wissen gebraut werden. Ceridwen will ihrem Sohn einen Trank brauen, der ihm die Gabe der Inspiration und der Weisheit verleihen würde sowie die Fähigkeit, alles Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige zu wissen.
Das Bild von der Hexe und ihrem Kessel ist das, was von dieser Geschichte übrig bleibt, bis zu den drei Hexen in Shakespeares Macbeth und der bösen Hexe in den Märchen der Brüder Grimm. Doch die Geschichte von Ceridwen zeigt, dass der Kessel an sich weder gut noch böse ist. Für den Unwürdigen bringt er den Tod. Nur dem Auserwählten, meist dem Unschuldigen, wird die Verwandlung zuteil.
Lugus (auch Lugos, Logos, oder Lugh)
Ein keltischer Gott, der obskur bleibt, bis mittelalterliche Quellen seine Assoziationen auslegen. Der Gott gab seinen Namen vielen Orten, so zum Beispiel Lugdunum, das moderne Nyon im Südosten Frankreichs. Er könnte der Gott sein, den Julius Caesar als obersten keltischen Gott beschreibt, aber an diesem Punkt sind sich die Gelehrten nicht einig. Er repräsentiert die Sonne und das Licht und wurde als all-weise und alles sehende Gottheit betrachtet. In der späteren Mythologie wurde er ein großer Krieger und irischer kultureller Held, dem oft ein Epitheton gegeben wird, zum Beispiel Lugh Lámfada (oder Lámfhota), was langarmig oder »von der langen Hand« bedeutet, was sich auf »in vielen Künsten und Handwerken begabt« bezieht. Es führt das Tuatha Dé Danann Renn um den Sieg gegen die seefahrenden Fomori an bei der Schlacht von Mag Tuired und tötet den einäugigen Balor mit seinem magischen Speer oder seiner magischen Schleuder und leitet damit eine 40jährige Herrschaft mit Frieden und Wohlstand ein.
The Mórrigan
Eine Kriegsgöttin, deren Name wahrscheinlich »Stutenkönigin« bedeutet. Ihr Schwestern sind die Dämonen- und Kriegsgöttinnen Bodb und Macha und das Trio wird manchmal als die Mórrigna bezeichnet. Sie war während dem Samhainfest am 31. Oktober/1. November wichtig, als sie sich mit dem Kriegsgott Dagda vereinte, was Fruchtbarkeit und Wohlstand für das kommende Jahr garantierte. Die Mórrigan kommt häufig in späterer irischer Mythologie vor, wo ihre Versuche, den Held Cú Chulainn zu verführen, wenig erfolgreich sind. Sie wurde dort meistens mit dem Entzünden von Konflikten assoziiert, dem Anstacheln der Kampfeswut und als Todesbringer. Die Göttin hat eine furchtbare Erscheinung, aber sie hat sowohl Sexappeal als auch Assoziationen.
DER HISTORISCHE RICHARD
RICHARD III. wird englischer König am 06 Juni 1483
Shakespeares Drama hat das Bild des englischen Königs Richard III. bis heute geprägt: Ein buckliger Erz-Bösewicht. Doch es ist nur ein Theaterstück. Die jüngste Forschung dagegen bringt Licht in das Leben des wahren Richard. 2012 wurde unter einem Parkplatz in Leicester ein Skelett gefunden. DNA-Untersuchungen bestätigten, dass es sich bei den Gebeinen um jene von Richard III. handelt. Zum Podcast über das Thema geht es hier:
Shakespeares Drama hat das Bild des englischen Königs Richard III. bis heute geprägt: Ein buckliger Erz-Bösewicht. Doch es ist nur ein Theaterstück. Die jüngste Forschung dagegen bringt Licht in das Leben des wahren Richard. 2012 wurde unter einem Parkplatz in Leicester ein Skelett gefunden. DNA-Untersuchungen bestätigten, dass es sich bei den Gebeinen um jene von Richard III. handelt. Zum Podcast über das Thema geht es hier:
Die verschwundenen Prinzen
von Cora Krüger
Wenn dicke Mauern sprechen könnten, würde man denen des Tower of London besonders neugierig zuhören. Fast 800 Jahre lang diente die imposante Festung als Gefängnis und Hinrichtungsstätte, in der oft bekannte Persönlichkeiten eingekerkert wurden. Oder sogar den Tod fanden: König Henry VI. wurde hier 1471 ermordet, Anne Boleyn 1536 geköpft. Mit dem Tower of London unweigerlich verbunden ist aber eine Geschichte, die die Briten bis heute rätseln lässt. In ihrem Zentrum steht das Schicksal der beiden Prinzen Edward V. und Richard of Shrewsbury. Von ihrem Onkel Richard in die Festung verbannt, verliert sich ihre Spur 1483 im Tower.
Aber von vorn: 1470 wird Edward von York, später bekannt als Edward V., geboren. Er ist der Sohn des englischen Königs Edward IV. und der machtbewussten Elizabeth Woodville, die als Großmutter Heinrichs VIII. eine zentrale Figur der englischen Geschichte ist. 1473 kommt Edwards jüngerer Bruder Richard von Shrewsbury auf die Welt. Gerade einmal ein Jahr ist Edward alt, da macht ihn sein Vater zum Thronfolger von England. Zehn Jahre später, im April 1483, stirbt der König überraschend. Die Vormundschaft für die beiden Söhne hat er - gegen den expliziten Willen der Königin - seinem Bruder Richard übertragen. Bis zur Volljährigkeit seines Neffen soll dieser außerdem die Regentschaft über England übernehmen.
Doch Richard hat andere Pläne. Kurzerhand lässt er seine Neffen für illegitim erklären und besteigt im Juni selbst den Thron als Richard III. Die Brüder, zwölf und neun Jahre alt, lässt er zuvor in den Tower of Londonsperren. Dort werden sie zuletzt im Sommer 1483 gesehen. Danach sind sie wie vom Erdboden verschluckt.
Die Frage, was mit den Prinzen geschehen ist, bietet Wissenschaftlern und Hobbyhistorikern bis heute Anlass für neue Theorien und Spekulationen. Hat Richard III. wirklich den Tod seiner Neffen veranlasst, um ungestört den Thron besteigen zu können? Bei Diskussionen um einen potenziellen Mörder der Kinder fällt sein Name sehr schnell. Das ist nur wenig verwunderlich: Immerhin eilt ihm der Ruf als machthungriger, brutaler Schurke voraus. Geprägt wurde dieser üble Leumund in der Ära der Tudors. Niemand Geringeres als William Shakespeare hat die Legende zusätzlich befeuert. Er bezeichnete den verstorbenen König nicht nur als »bucklige Giftkröte«, sondern widmete ihm mit dem Schauspiel »Richard III.« auch eines seiner populärsten Dramen. In der Handlung wird Richard III. zum skrupellosen, mörderischen Onkel, der allerlei Gräueltaten begeht. Allzu nahe an der Realität dürfte sich Shakespeare dabei jedoch nicht bewegt haben. Längst fanden Wissenschaftler heraus, dass Richard III. für viele der ihm zur Last gelegten Verbrechen gar nicht verantwortlich war. Darüber, ob er aber etwas mit dem Schicksal der Prinzen zu tun hatte, wird hingegen weiter leidenschaftlich gestritten.
Die einen glauben: Ja, die Kinder wurden auf Befehl ihres Onkels umgebracht. Zu diesem Ergebnis kommt etwa eine Studie des Professors Tim Thornton. Dabei bezieht sich der Historiker auf ein im 16. Jahrhundert geschriebenes Buch des Philosophen und Staatskanzlers Sir Thomas More. Dieser beschuldigt darin zwei Männer, die Prinzen auf direkten Befehl von Richard III. ermordet zu haben. Weil More beim Verschwinden der Prinzen erst fünf Jahre alt war, zweifelten Wissenschaftler seine Schilderungen bis dato an. Thornton ist es jedoch gelungen nachzuweisen, dass More zwei Söhne des von ihm beschuldigten Haupttäters kannte. Er habe mit ihnen am Hof der Tudors zusammengearbeitet. Der Professor mutmaßt, dass sie sich mit More über die Rolle ihres Vaters beim vermeintlichen Mord an den Brüdern unterhalten haben könnten. Er hält die Schilderungen des berühmten Humanisten deshalb für durchaus glaubhaft.
Eine kürzlich erschienene Theorie entlastet Richard III hingegen. Die Verantwortlichen der Untersuchung »The Missing Princes Project« gehen zwar davon aus, dass er seine Neffen verschwinden ließ. Aber: Edward V. sei nicht im Tower of London umgebracht, sondern lediglich aufs Land verbannt worden. Im englischen Coldridge hätte er unter dem Namen John Evans weitergelebt. Beweise sieht John Dike, Leiter des Projekts, etwa in der Kirche im Dorf. Dort würden zahlreiche Hinweise, wie etwa die Bilder auf den Glasfenstern, darauf hindeuten, dass es sich bei John Evans um den verschwundenen Prinzen gehandelt habe.
Unabhängig von Richard III. gibt es weitere Hypothesen, was mit den beiden Prinzen geschehen sein könnte. Denn auch andere hatten gute Gründe, die Brüder tot sehen zu wollen. Einige Historiker bringen den Namen Henry Stafford ins Spiel. Er galt lange Zeit als rechte Hand von Richard III. und hatte ihm geholfen, die Krone zu übernehmen. Immer wieder wird gemutmaßt, dass er es selbst auf den Thron abgesehen hatte und deshalb seine Konkurrenten beseitigen wollte. Zudem hatte er jederzeit Zugang zum Tower. Im November 1483 wurde Stafford hingerichtet. Der potenzielle Mord an den Prinzen hätte also schon zuvor stattfinden müssen.
Henry VII., der nach dem Tod von Richard III. 1485 den Thron bestieg, gilt einigen Forschern ebenfalls als Verdächtiger. Ihr Argument: Durch die Ermordung der Prinzen hätte er seinen Anspruch auf die Krone sichern wollen. Allerdings kehrte Henry VII. erst zwei Jahre nach dem Verschwinden der Kinder aus dem Exil zurück. Die Frage, warum sie in der Zwischenzeit von niemandem gesehen wurden, bleibt also offen.
Gerade einmal zwei Jahre trägt Richard III. die englische Krone, bis er 1485 in der Schlacht von Bosworth stirbt. Mit seinem Tod ist die Ära der sogenannten Rosenkriege des englischen Mittelalters Geschichte. Henry VII. wird gekrönt, das Zeitalter der Tudor-Dynastie bricht an. Nur wer tatsächlich für den Tod der beiden Prinzen verantwortlich war, wann und wo sie gestorben sind und ob sie überhaupt getötet wurden, bleibt auch 500 Jahre später ein Rätsel.
Aber von vorn: 1470 wird Edward von York, später bekannt als Edward V., geboren. Er ist der Sohn des englischen Königs Edward IV. und der machtbewussten Elizabeth Woodville, die als Großmutter Heinrichs VIII. eine zentrale Figur der englischen Geschichte ist. 1473 kommt Edwards jüngerer Bruder Richard von Shrewsbury auf die Welt. Gerade einmal ein Jahr ist Edward alt, da macht ihn sein Vater zum Thronfolger von England. Zehn Jahre später, im April 1483, stirbt der König überraschend. Die Vormundschaft für die beiden Söhne hat er - gegen den expliziten Willen der Königin - seinem Bruder Richard übertragen. Bis zur Volljährigkeit seines Neffen soll dieser außerdem die Regentschaft über England übernehmen.
Doch Richard hat andere Pläne. Kurzerhand lässt er seine Neffen für illegitim erklären und besteigt im Juni selbst den Thron als Richard III. Die Brüder, zwölf und neun Jahre alt, lässt er zuvor in den Tower of Londonsperren. Dort werden sie zuletzt im Sommer 1483 gesehen. Danach sind sie wie vom Erdboden verschluckt.
Die Frage, was mit den Prinzen geschehen ist, bietet Wissenschaftlern und Hobbyhistorikern bis heute Anlass für neue Theorien und Spekulationen. Hat Richard III. wirklich den Tod seiner Neffen veranlasst, um ungestört den Thron besteigen zu können? Bei Diskussionen um einen potenziellen Mörder der Kinder fällt sein Name sehr schnell. Das ist nur wenig verwunderlich: Immerhin eilt ihm der Ruf als machthungriger, brutaler Schurke voraus. Geprägt wurde dieser üble Leumund in der Ära der Tudors. Niemand Geringeres als William Shakespeare hat die Legende zusätzlich befeuert. Er bezeichnete den verstorbenen König nicht nur als »bucklige Giftkröte«, sondern widmete ihm mit dem Schauspiel »Richard III.« auch eines seiner populärsten Dramen. In der Handlung wird Richard III. zum skrupellosen, mörderischen Onkel, der allerlei Gräueltaten begeht. Allzu nahe an der Realität dürfte sich Shakespeare dabei jedoch nicht bewegt haben. Längst fanden Wissenschaftler heraus, dass Richard III. für viele der ihm zur Last gelegten Verbrechen gar nicht verantwortlich war. Darüber, ob er aber etwas mit dem Schicksal der Prinzen zu tun hatte, wird hingegen weiter leidenschaftlich gestritten.
Die einen glauben: Ja, die Kinder wurden auf Befehl ihres Onkels umgebracht. Zu diesem Ergebnis kommt etwa eine Studie des Professors Tim Thornton. Dabei bezieht sich der Historiker auf ein im 16. Jahrhundert geschriebenes Buch des Philosophen und Staatskanzlers Sir Thomas More. Dieser beschuldigt darin zwei Männer, die Prinzen auf direkten Befehl von Richard III. ermordet zu haben. Weil More beim Verschwinden der Prinzen erst fünf Jahre alt war, zweifelten Wissenschaftler seine Schilderungen bis dato an. Thornton ist es jedoch gelungen nachzuweisen, dass More zwei Söhne des von ihm beschuldigten Haupttäters kannte. Er habe mit ihnen am Hof der Tudors zusammengearbeitet. Der Professor mutmaßt, dass sie sich mit More über die Rolle ihres Vaters beim vermeintlichen Mord an den Brüdern unterhalten haben könnten. Er hält die Schilderungen des berühmten Humanisten deshalb für durchaus glaubhaft.
Eine kürzlich erschienene Theorie entlastet Richard III hingegen. Die Verantwortlichen der Untersuchung »The Missing Princes Project« gehen zwar davon aus, dass er seine Neffen verschwinden ließ. Aber: Edward V. sei nicht im Tower of London umgebracht, sondern lediglich aufs Land verbannt worden. Im englischen Coldridge hätte er unter dem Namen John Evans weitergelebt. Beweise sieht John Dike, Leiter des Projekts, etwa in der Kirche im Dorf. Dort würden zahlreiche Hinweise, wie etwa die Bilder auf den Glasfenstern, darauf hindeuten, dass es sich bei John Evans um den verschwundenen Prinzen gehandelt habe.
Unabhängig von Richard III. gibt es weitere Hypothesen, was mit den beiden Prinzen geschehen sein könnte. Denn auch andere hatten gute Gründe, die Brüder tot sehen zu wollen. Einige Historiker bringen den Namen Henry Stafford ins Spiel. Er galt lange Zeit als rechte Hand von Richard III. und hatte ihm geholfen, die Krone zu übernehmen. Immer wieder wird gemutmaßt, dass er es selbst auf den Thron abgesehen hatte und deshalb seine Konkurrenten beseitigen wollte. Zudem hatte er jederzeit Zugang zum Tower. Im November 1483 wurde Stafford hingerichtet. Der potenzielle Mord an den Prinzen hätte also schon zuvor stattfinden müssen.
Henry VII., der nach dem Tod von Richard III. 1485 den Thron bestieg, gilt einigen Forschern ebenfalls als Verdächtiger. Ihr Argument: Durch die Ermordung der Prinzen hätte er seinen Anspruch auf die Krone sichern wollen. Allerdings kehrte Henry VII. erst zwei Jahre nach dem Verschwinden der Kinder aus dem Exil zurück. Die Frage, warum sie in der Zwischenzeit von niemandem gesehen wurden, bleibt also offen.
Gerade einmal zwei Jahre trägt Richard III. die englische Krone, bis er 1485 in der Schlacht von Bosworth stirbt. Mit seinem Tod ist die Ära der sogenannten Rosenkriege des englischen Mittelalters Geschichte. Henry VII. wird gekrönt, das Zeitalter der Tudor-Dynastie bricht an. Nur wer tatsächlich für den Tod der beiden Prinzen verantwortlich war, wann und wo sie gestorben sind und ob sie überhaupt getötet wurden, bleibt auch 500 Jahre später ein Rätsel.
»Tzzztzzztzzz. Der Krieg, düster, groß, hungrig, ist sattsattsatt. Und statt sich zu panzern, statt auf Schlachtrösser zu setzen, Feindinnne mit der Hinterhand in den Hinterhalt, in Klammheit von Panik zu versetzen, STATTDESSEN können sich jetzt alle wieder einmal gönnen: entspannte Nähe. Können sich jetzt alle mal Intimität, Sex, Liebe etcpp«
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Vielen Dank an die Stimmen der Bürger*innen von London:
Elmira Bahrami, Malick Bauer, Alireza Bayram, Martin Bruchmann, Murat Dikenci, Peter Knaack, Paula Kober, Bekim Latifi, Sina Martens, Seán McDonagh, Neil Barry Moss Dean Murphy, Stefan Merki
Die Videos für die Produktion wurden teilweise gedreht mit freundlicher Unterstützung von »Planet Nippes Studio«.
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IMPRESSUM
Die verschwundenen Prinzen
https://www.sueddeutsche.de/leben/richard-iii-die-prinzen-im-tower-cold-case-tower-of-london-1.5549646
Zuletzt aufgerufen: 22.4.2022.
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BEI DEN GÖTTINNEN – ANU, LUGH UND MORRIGAN
https://www.worldhistory.org/trans/de/2-1715/das-alte-keltische-pantheon/
Zuletzt aufgerufen: 22.04.2022
Ceridwen - Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874; Und: »Der Heilige Gral und die Schätze Britanniens« von Helmut W. Pesch
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Ceridwen - Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874; Und: »Der Heilige Gral und die Schätze Britanniens« von Helmut W. Pesch
KATJA BRUNNER IM GESPRÄCH
Das Interview mit Katja Brunner führte Sarah Lorenz schriftlich für dieses Programmheft.
Die Videos und Portraitfotos des Ensembles sind von Su Steinmassl.